- Physiknobelpreis 1930: Chandrasekhara Venkata Raman
- Physiknobelpreis 1930: Chandrasekhara Venkata RamanDer indische Physiker erhielt den Nobelpreis für seine Arbeiten zur Lichtstreuung und für die Entdeckung des nach ihm benannten Effekts.Sir (seit 1929) Chandrasekhara Venkata Raman, * Trichinopoly (heute Tiruchirapalli, Indien) 7. 11. 1888, ✝ Bangalore (Indien) 21. 11. 1970; zunächst zehn Jahre in der staatlichen Finanzverwaltung, 1917 Professor für Physik in Kalkutta, 1933-1948 Professor in Bangalore, ab 1948 Direktor des neu gegründeten Raman-Forschungsinstituts in Bangalore.Würdigung der preisgekrönten LeistungDer österreichische Physiker Adolph Gustav Stephan Smekal sagte 1923 aufgrund theoretischer Überlegungen den später so genannten Smekal-Raman-Effekt über die Wechselwirkung von sichtbarem Licht und Molekülen voraus. Raman gelang es 1928, den Effekt experimentell zu beweisen. Dafür erhielt er den Nobelpreis.Lichtstrahlen lassen sich nur wahrnehmen, wenn sie direkt ins Auge fallen. Durchläuft ein Lichtbündel jedoch ein Medium mit sehr feinem Staub oder Lösungen mit fein verteilten Stoffen, lässt es sich durch Streuung auch von der Seite wahrnehmen. Die Partikel werden durch das Licht zu charakteristischen Schwingungen angeregt und streuen dadurch das Licht in alle Richtungen. Die Zahl der Oszillationen (Schwingungen) pro Sekunde entspricht dabei der Frequenz des einfallenden Lichts. Der Effekt ist je nach Wellenlänge des Lichts unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Erscheinung nennt man nach dem irischen Physiker John Tyndall Tyndall-Effekt. Lord Rayleigh (Nobelpreis 1904) deutete auf dieser Grundlage 1899 das Blau des Himmels und das Rot der Morgen- und Abenddämmerung mit der Streuung des Sonnenlichts am feinen Staub oder dem Wasserdampf in der Atmosphäre.Heute lässt sich das Phänomen auf der Basis der Quantentheorie des Lichts erklären. Danach besteht Licht aus definierten Energiepäckchen, den Quanten. Da nach dem Rutherford-Bohr-Sommerfeld'schen Atommodell die Elektronen jeder Schale bestimmte Energieniveaus einnehmen, können einfallende Lichtquanten nur dann vollständig absorbiert werden, wenn sie Elektronen auf ein höheres Energieniveau oder eine höhere Schale heben. Das Atom geht in den angeregten Zustand über. Die Differenz zwischen dem angeregten Zustand und dem Grundzustand entspricht dabei der Energie des Lichtquants. Die Energieniveaus von Atomen und Molekülen kann man also bestimmen, indem man eine Probe einem stetigen Spektrum aussetzt. Das von der Probe durchgelassene Spektrum weist dann dunkle Linien auf, die von der Verminderung der Energie voneinander getrennter Lichtfrequenzen herrühren. Ist die einfallende Energie des Photons jedoch zu gering, um Atome und Moleküle anzuregen, wird das Photon elastisch gestreut. Das heißt, es wird unter Beibehaltung seiner Energie und damit seiner Frequenz wieder in die Luft abgelassen (emittiert). Es ändert dabei seine Richtung (Rayleigh-Streuung). Das blaue Licht des Himmels wird viel stärker gestreut als das rote. Der Himmel erscheint dadurch blau. Das Himmelsrot entsteht, wenn der blaue Anteil durch Streuung aus der Richtung der Sonneneinstrahlung abgelenkt wird.Unbekannte Spektren tauchen aufNähere Untersuchungen an Molekülen ergaben, dass das Licht nicht so vollständig polarisiert ist, wie es der Tyndall-Effekt verlangt. Hier setzten die Forschungen Ramans ein. 1928 machte er die Entdeckung, dass in der Streustrahlung des Lichts neben der Ausgangsfrequenz noch andere Frequenzen vorkommen. Zur genaueren Untersuchung setzte er eine starke Quecksilberdampflampe ein, aus deren Licht er eine Wellenlänge filterte. Das gestreute Licht beobachtete er mit einem Spektrographen. Er fand beiderseits der primären Quecksilberlinie ein ganzes Spektrum neuer schwacher, aber scharfer Linien. Als er die Primärlinie kontinuierlich veränderte, folgte das neue Spektrum unter Beibehaltung der Abstände. Raman wiederholte das Experiment mit einer großen Zahl Substanzen als Streumedium und fand immer denselben Effekt. Dieser (Smekal-)Raman-Effekt stand im Widerspruch zur Rayleigh-Streuung: Atome und Moleküle können so viele Frequenzen aussenden, wie es Elektronen gibt, die verschiedene Energieniveaus einnehmen können. Jede Linie eines Emissionsspektrums korrespondiert mit einer bestimmten Frequenz. Doch die Raman-Linien korrespondieren nicht mit der Frequenz der untersuchten Moleküle und sie veränderten sich mit der Primärstrahlung.Raman erklärte den Widerspruch mit der Kombination der einfallenden Lichtquanten mit den Quanten, die von den angeregten Molekülen emittiert werden. Das heißt, ein unelastischer Stoß der Materie durch die Lichtquanten, die eine unelastische Streuung verursacht, wenn die Energie des einfallenden Photons die Anregungsenergie übersteigt. Die Differenz zwischen der Anregungsenergie und der Gesamtenergie des einfallenden Photons wird als Raman-Streuung emittiert. Man spricht von Schwingungsquanten oder Phononen, die die Moleküle zum Rotieren bringen.Die Moleküle senden die Differenzen zwischen Aktivierungs- und Eigenfrequenz als zusätzliche Frequenzen aus, die sich um die primäre Linie gruppieren. Der Abstand der am nächsten liegenden Raman-Linie zur primären Linie ist identisch mit der niedrigsten Schwingungsfrequenz eines Moleküls. Die Differenz ist für Moleküle charakteristisch, ihre Rotations- und Schwingungsenergien lassen sich anhand der Raman-Frequenzen ermitteln. Der Raman-Effekt ist eine wesentliche Grundlage für die Strukturanalyse von Molekülen.Der bedeutende amerikanische Physiker Robert Williams Wood sagte zu der Entdeckung: »Mir erscheint diese wunderschöne Entdeckung, die Raman in langen und mühevollen Studien zum Phänomen der Lichtstreuung erarbeitet hat, der überzeugendste Beweis für die Quantentheorie.«Umstrittene NobelpreisvergabeAls Raman den Nobelpreis erhielt, war nicht ersichtlich, weshalb sein enger Mitarbeiter Kariamanikham Srinivasa Krishnan unberücksichtigt blieb. Überdies hatten die russischen Physiker Grigori Landsberg und Leonid Mandelstam den Effekt zeitgleich entdeckt. Als Datum der Entdeckung gilt für Raman und Krishnan der 16. Februar, für Landsberg und Mandelstam der 21. Februar 1928. Die indischen Physiker publizierten ihn am 31. März, die russischen am 13. Juli 1928. Für die Preisvergabe an Raman waren wohl auch seine guten Kontakte maßgebend. So schrieben etwa Charles Wilson (Nobelpreis 1927) und Ernest Rutherford (Nobelpreis für Chemie 1908) an das Nobelkomitee: »Wir sind. .. der Meinung, dass Raman ein Physiker mit außerordentlichen Fähigkeiten ist, der in seinem Land. .. ein erfolgreiches Forschungsinstitut aufgebaut hat, das hervorragende Arbeit leistet.« Niels Bohr (Nobelpreis 1922) war einer der wenigen, die für die Teilung des Preises mit den russischen Physikern eintraten.U. Schulte
Universal-Lexikon. 2012.